VERGABERECHT

ÖFFENTLICHES RECHT

TÄTIGKEITSFELD VON: PROF. DR. MARIUS RAABE

Das Vergaberecht umfasst diejenigen Rechtsregeln, nach denen öffentliche Auftraggeber die von ihnen benötigten Bau-, Liefer- und Dienstleistungen beschaffen. Solche Beschaffungsvorgänge betreffen Planungs- und Bauaufträge für ein neues Rathaus oder eine Abfallentsorgungsanlage ebenso wie die Ausgliederung abfallwirtschaftlicher Leistungen durch öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger, das Outsourcing von Versorgungsleistungen ebenso wie die Erteilung von Gutachtenaufträgen an externe Experten. Aber auch bei komplexen Projekten im Rahmen Öffentlich-Privater Partnerschaften (ÖPP bzw. PPP), die Elemente von Planung, Bau, Finanzierung und Betrieb enthalten, kommt es genauso auf vergaberechtliche Fragen an wie bei der Übertragung von Betreiberleistungen beispielsweise für ein Schwimmbad oder eine andere Freizeiteinrichtung im Rahmen von so genannten Dienstleistungskonzessionen. Auch bei öffentlich-rechtlichen Erschließungsverträgen und der Zusammenarbeit innerhalb des öffentlichen Sektors etwa zwischen kommunalen Körperschaften stellen sich vergaberechtliche Probleme. Das Vergaberecht gilt nicht umsonst als ein besonders kompliziertes und sich zudem rasch entwickelndes Gebiet.

Das Vergaberecht ist ein Grenzgebiet zwischen dem öffentlichen und dem Zivilrecht. Einerseits wurde es traditionell dem öffentlichen Haushaltsrecht zugeordnet; andererseits geht es bei der Vergabe um den Abschluss zivilrechtlicher Verträge über Bau-, Liefer- und Dienstleistungen.

Seit 1999 enthält das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) das sogenannte Kartellvergaberecht. Dadurch wurde die frühere „haushaltsrechtliche Lösung“ abgelöst und der wettbewerbssichernde Zweck des Vergaberechts betont. Dies beruht auf Vorgaben des Europarechts – und so sind in der vergaberechtlichen Beratung stets die Bezüge zum EU-Recht besonders zu beachten. Das wirkt sich bis in die Terminologie aus und kann leicht zu Missverständnissen führen. Alltagssprachlich würde man nicht ohne Weiteres darauf kommen, dass eine „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ im Sinne der EU-Vergabericht­linien nach deutschem Recht sehr häufig die Form einer GmbH annimmt, oder dass ein „offenes Verfahren“ streng formalisiert ist und ein „nicht offenes Verfahren“ immerhin einen europaweiten Teilnahmewettbewerb impliziert.

Das Vergaberecht ist aber nach wie vor stark gegliedert, ja zersplittert: Im Bereich unterhalb der europarechtlich vorgegebenen Schwellenwerte findet das bundesrechtliche Kartellvergaberecht keine Anwendung. Zwar ist auch hier das Haushaltsrecht mehr und mehr durch förmliche Landesvergabegesetze zurückgedrängt worden. Diese unterscheiden sich in den einzelnen Bundes­ländern nach wie vor erheblich, nicht zuletzt, weil die Landesgesetzgeber je eigene politische Akzente setzen wollen. In Schleswig-Holstein wurde zuletzt 2019 das bis dahin geltende Tariftreue- und Vergabegesetz Schleswig-Holstein (TTG) durch das Vergabegesetz Schleswig-Holstein (VGSH) sowie eine Neufassung der Schleswig-Holsteinischen Vergabeverordnung (SHVgVO) abgelöst.

Die Anwendung wird zudem dadurch erschwert, dass für die einzelnen Auftragsarten unterschiedliche Verfahrensordnungen gelten. Diese sind überwiegend nicht gesetzlich geregelt, sondern auf der Grundlage von Gesetzen in Verordnungen und auch in Regelwerken, die als solche keinen Rechtssatzcharakter aufweisen. Letzteres betrifft Bauleistungen, deren Vergabe weitgehend noch durch die überkommene Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) in je nach Auftragswert unterschiedlichen Abschnitten geregelt wird, unterhalb der Schwellenwerte aber auch sonstige Leistungen im Anwendungsbereich der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO). Die Vorschriften der einzelnen Regelwerke weichennicht nur formal, sondern auch inhaltlich voneinander ab, was die Anfälligkeit für Fehler weiter erhöht.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs spielen europarechtliche Anforderungen an die Transparenz und Diskriminierungsfreiheit von Vergabeverfahren auch unterhalb der Schwellenwerte und außerhalb der Anwendungsbereiche der europäischen Vergaberichtlinien eine erhebliche Rolle – die Inanspruchnahme vergaberechtlichen Sachverstands ist daher auch im „unterschwelligen“ Bereich angezeigt, um nicht Kommissionsbeschwerden oder andere Konflikte mit EU-Organen heraufzubeschwören.

Vergaberechtliche Anforderungen sind auch zu beachten, wenn öffentliche Aufträge nachträglich während der Laufzeit angepasst werden sollen, etwa durch Nachträge oder durch Verlängerungen. Die oberhalb der Schwellenwerte diesbezüglich geltenden Regelungen von § 132 GWB sind teilweise auch im unter­schwelligen Bereich durch entsprechende Verweisungen für maßgeblich erklärt worden.

Seit dem Inkrafttreten des gesetzlichen Vergaberechts im Jahr 1999 hat sich in Deutschland eine umfangreiche Spruchpraxis der Vergabekammern und Vergabesenate entwickelt, welche teilweise nur noch schwer zu überblicken und ständig im Fluss ist. Diese Spruchpraxis stellt – teilweise über die zugrunde liegenden europarechtlichen Maßstäbe hinausgehend – sowohl an die Auftraggeber wie auch an die Bieter bzw. Bewerber sehr hohe Anforderungen, die auf beiden Seiten ohne fundiertes Expertenwissen praktisch nicht mehr zu bewältigen sind.

Der spezielle vergaberechtliche Rechtsschutz durch Vergabekammern und Vergabesenate greift bislang nur oberhalb der Schwellenwerte ein. Unterhalb der Schwellenwerte verbleibt bisher nur die Möglichkeit, die allgemeinen Zivilgerichte um einstweiligen Rechtsschutz im Verfügungsverfahren anzurufen.

Der Schwerpunkt unserer Tätigkeiten liegt hier bei der Beratung öffentlicher Auftraggeber

  • bei der Vorbereitung und Durchführung von Vergabeverfahren, insbesondere bei atypischen, komplexen und bedeutenden Beschaffungen wie beispielsweise im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften,
  • bei der Vertretung vor den Vergabekammern und Vergabesenaten und anderen Gerichten,
  • bei der gutachtlichen Beratung zu vergaberechtlichen Fragestellungen beispielsweise hinsichtlich der Reichweite von Vergabepflichten, der Kooperation von kommunalen Körperschaften, aber auch der Auswirkungen auf andere Rechtsbereiche.

Wir sind aber auch immer wieder einmal auf Seiten von Bewerbern und Bietern mit vergaberechtlichen Fragestellungen befasst, und zwar

  • bei der Begleitung in Vergabeverfahren durch die Prüfung der an die Bieter gestellten Anforderungen in den Vergabeunterlagen, durch die Mithilfe bei der Erstellung von Bewerbungen und Angeboten, insbesondere die Prüfung auf die Einhaltung der formalen und rechtlichen Anforderungen,

und

  • bei der Wahrung ihrer Rechte auf der Ebene des primären Rechtsschutzes vor den Vergabekammern und den Vergabesenaten der Oberlandesgerichte und bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen.

WEISS­LE­DER EWER wurde 2018, 2019, 2020 und 2021 im Wirt­schafts­Wo­che-Ra­ting im Rechts­ge­biet Ver­ga­be­recht als "TOP KANZ­LEI" aus­ge­zeich­net.